Der Titel unseres Blogs Natur und weg zeigt ja schon, dass Heike und mir das Erleben der Natur sehr wichtig ist. Draußen sein, Laufen, die Umgebung erkunden und Fotografieren sind unsere Leidenschaft und wir genießen das Gefühl, aus eigener Kraft und mit unseren eigenen Beinen und Füßen die Welt zu erkunden.
Ein Knorpelschaden im Kniegelenk ist angesichts dieser Leidenschaft keine schöne Diagnose und mich hat diese ganz schön auf den Boden geholt.
Ich möchte allen Interessierten und insbesondere anderen, von solch einer Diagnose Betroffenen, mit diesem Artikel berichten, wie es dazu kam und wie sich dieser Schaden therapieren lässt. Ich hoffe dem ein oder anderen kann ich damit wertvolle Informationen an die Hand geben und etwas Mut machen.
Aber der Reihe nach, was war eigentlich passiert?
Nun, wie ich heute weiß, es geht schneller als man denkt, sich richtig was kaputt zu machen und leider merkt man dies insbesondere im Fall von Gelenkknorpel oftmals erst dann, wenn es eigentlich schon fast zu spät ist.
Ich mache alles richtig, ich werde uralt und bleibe gesund!
Ja, so dachte ich! Ich ernähre mich schon seit langer Zeit sehr gesund und gebe gut Acht auf meinen Körper, denn ich möchte gerne uralt werden und dabei möglichst gesund bleiben. Ich habe schon vor vielen Jahren mit dem Rauchen aufgehört und angefangen Sport zu treiben. Wandern und Radfahren sind meine Leidenschaft und insbesondere das Radfahren hatte ich seit ein paar Jahren recht intensiv betrieben. Radfahren ist toll, weil man das Herz Kreislauf System super trainieren kann, dabei einen gelenkschonenden Sport betreibt und ich war mir sicher, meine Knie würden ewig halten. Meine Mobilität ist mir unheimlich wichtig. Ich genieße das Gefühl, mir mit meinen eigenen Beinen und Füßen die Welt erschließen zu können, ich denke mindestens Naturfotografen können gut verstehen, wovon ich rede.
So war ich froh, viel für meine Gesundheit und den Erhalt meiner Gelenke zu tun und war guter Hoffnung, bis ins hohe Alter radzufahren und mobil zu sein.
Das Missgeschick
Wir wohnten bis vor ein paar Jahren noch in einer Wohnung im Dachgeschoss eines Hauses und die Keller dort waren nicht wirklich einbruchssicher. Da in den Kellern schon alles mögliche gestohlen wurde, hatte ich mir angewöhnt, mein Fahrrad immer in die Wohnung zu tragen und dort abzustellen.
Eines Tages kam ich von einer Radtour zurück und trug mein Fahrrad die Treppe hoch, als ich stolperte. Da ich das Rad in den Händen hatte, konnte ich mich nicht abfangen und so knallte ich ungebremst, mit dem rechten angewinkelten Knie, direkt mit der Kniescheibe auf eine Treppenstufenkante unserer schönen, harten Marmortreppe.
Der Schmerz war enorm und ich hatte anschließend ein paar Tage wirklich Probleme mit dem Knie. Ich machte mir also einen Termin beim Orthopäden meines Vertrauens und dort wurde erst einmal das Knie geröntgt. Zum Glück war die Kniescheibe nicht gebrochen, was mir laut Arzt bei diesem Sturz gut hätte passieren können. Um nun auch den Knorpel zu checken, bekam ich eine Überweisung zum MRT.
Leider dauerte es 2 Wochen bis ich den Termin hatte und bis es soweit war, konnte ich mittlerweile wieder normal laufen.
Eine Fehldiagnose? Kann gut sein!
Was ich mittlerweile gelernt habe ist, dass beim MRT natürlich auch ein Arzt sitzt, der Das MRT Bild analysiert und einen Befund schreibt. So kann es nun passieren, dass man sich einen guten Orthopäden gesucht hat, der aber nicht besonders fit darin ist MRT Bilder zu lesen und sich dieser diesbezüglich dann auf den befundenden Arzt verlässt. Wenn man hier nun kein besonders Augenmerk auf die Qualität gelegt hat, wird es gefährlich.
Ich weiß heute nicht 100%ig was nun die Ursache für den Knorpelschaden in meinem Knie ist, aber es ist für mich sehr, sehr wahrscheinlich, dass es der Sturz war.
Exakt an der Stelle, an der ich heute den Knorpelschaden habe, war in diesem MRT eine Signalstörung, der aber niemand größere Bedeutung beigemessen hat. Ich gehe davon aus, dass hier eine Knorpelerweichung sichtbar war, ausgelöst durch den Schlag beim Sturz.
Infolge des eher harmlosen Befundes beschloss mein Arzt, ich solle das Knie schonen, bis die Schmerzen vorbei seien und dann normal weiter Sport treiben und das Knie belasten.
Knorpel der kaputt geht, tut nicht weh!
Vermutlich begann nun die Phase, in der der eigentlich Knorpelschaden entstand. Ausgehend von der Diagnose und Empfehlung meines Arztes betrieb ich wieder intensiv Radsport und steigerte meine Leistung bis auf Strecken von 120 km mit einem Durchschnitt von knapp 30km/h.
Auch führte ich im darauffolgenden Jahr zwei Umzüge selber durch und schleppte eine Menge Kartons uns Möbel die Treppen rauf und runter, denn wir wollten Kosten sparen und schließlich war ich ja topfit!
Auch verbrachten wir einen tollen Urlaub in Kanada, wo wir lange und bergige Strecken wanderten.
Alles in allem bekam mein Knie also eine Menge Belastung ab, aber Schmerzen hatte ich keine!
Und plötzlich knackt es...
Nach etwa einem bis eineinhalb Jahren begannen dann die Probleme. Das Knie knackte öfter und dies immer in einem bestimmten Winkel unter Last. Nun muss man was "Knacken im Knie" angeht etwas vorsichtig sein. Es gibt eine Menge Leute, die sich ob knackender Gelenke unheimlich nervös machen und das meiste davon ist normal. Bei bestimmten Bewegungen kann es passieren, dass sich der Gelenkspalt öffnet, was zu einem Unterdruck in der Gelenksflüssigkeit führt. Hierdurch können Gasblasen entstehen, die platzen und dies ist das Knacken, was wir öfters mal hören. Nichts wildes.
In meinem Fall aber war es anders. Das Knacken war immer an der selben Stelle, immer unter Last und mit der Zeit begannen auch Schmerzen aufzutreten. Eines Tages stieg ich aufs Fahrrad und wollte eine ausgiebige Tour fahren als ich bemerkte, dass das Knie bei jeder Umdrehung knackte und begann zu schmerzen.
Ich brach die Tour ab, denn irgendwas schien absolut nicht zu stimmen!
Was ist da los?
Ich begab mich auf die Suche nach einem guten Orthopäden und bekam eine Empfehlung aus unserem Freundeskreis. Der Arzt hatte hervorragende Bewertungen und ich bekam zum Glück zügig einen Termin. Sein Verdacht fiel bei meiner Schilderung auf einen Knorpelschaden durch den leicht außermittigen Lauf meiner Kniescheiben und er ordnete ein MRT an. Der Sturz sollte ihm zufolge keine Auswirkungen gehabt haben, er rechnete mit leichten Verschleißproblemen.
Es sollte leider anders kommen.
Schauen wir uns doch mal an, wie gesunder Knorpel im MRT aussieht.
Dies ist ein horizontaler Schnitt durch mein rechtes Kniegelenk. Stellt euch einfach vor, ihr würdet von oben herab auf das Knie schauen und einen Querschnitt machen.
Oben der dunkle Teil ist die Kniescheibe und die weiße, dicke Schicht, die ich hier mit grünen Pfeilen markiert habe, das ist der Knorpel auf der Rückseite meiner Kniescheibe. Sieht alles toll aus! Dick, gesund, klar abgegrenzt und nix ausgefranst. So soll es sein.
Im Übrigen sah mein ganzes Knie so aus. Mein Kniegelenksknorpel ist top in Ordnung, fantastisch, so hatte ich mir das vorgestellt.
Allerdings gab es auch eine Stelle in meinem Knie, die garnicht gut aussah. Man erkennt den Unterschied sofort.
Dieses Bild ist ein Querschnitt weiter unten durch mein Knie und wir sehen hier den unteren, inneren Quadranten der Kniescheibe.
Der rote Pfeil markiert die Stelle, an der der Knorpel so gut wie weg ist.
Retropatellare Chondropathie 3. - 4. Grades der distalen medialen Patellafacette
Konkret heißt das, ich habe einen 3. - 4. gradigen Knorpelschaden an der Rückseite der Kniescheibe und betroffen ist, von vorne auf das Knie geblickt, der untere, innere Quadrant.
3. - 4. Grad heißt dabei:
- Chondropathie Grad 3: Es bestehen Risse und Löcher im Knorpel, diese reichen aber noch nicht bis zum Knochen.
- Chondropathie Grad 4: Stellenweise ist die Knorpelschicht völlig zerstört und der darunter liegende Knochen liegt frei.
Alles dahin...
Diese Diagnose war ein Hammer und traf mich wie ein Schlag in die Magengrube. In diesem Moment und in den darauffolgenden Wochen sah ich meine Lebensplanung dahinschwinden.
Ich war bisher im festen Glauben unterwegs, alles zu tun, um gesund und mobil zu bleiben. Heike und ich hatten unheimlichen Spaß an der Naturfotografie und wir waren dabei, uns gemeinsam neue Bereiche zu erschließen. Wir waren bereits vertieft in der Planung eines zweiwöchigen Trekkingurlaubs im Sarek in Schweden, wo wir mehrere Tage autark und auf uns allein gestellt in wirklicher Wildnis verbringen wollten. Wir hatten uns schon einiges an Ausrüstung besorgt und hatten den festen Plan, in den kommenden Monaten zu trainieren, um später imstande zu sein, die 25-30 kg Gewicht unserer Trekkingrucksäcke bewältigen und damit 15-20 km am Tag laufen zu können.
Alles erst einmal dahin.
Mehrere Dinge wurden mir durch meine nachfolgende Recherche und die Gespräche mit meinem Arzt klar.
Die nächste Stufe meiner Kniebeschwerden würde Arthrose sein, was letztlich die schleichende Zerstörung des Gelenks bedeutet. Man kann dies nur hinauszögern, indem man das Gelenk schont, aber natürlich trotzdem bewegt. Dies würde bedeuten dass das Thema Sarek gestrichen ist. Weiterhin würde ich die Fotografie, Wandern und Radfahren auch so nicht mehr fortsetzen können und wie lange würde ich mich noch hinknien können?
Zu lange darf man dann auch nicht warten, bevor man zumindest eine Teilprothese des Knies in Erwägung zieht, da sonst die Knochensubstanz zu sehr geschädigt ist. Eine Knieprothese wiederum hat aber eine begrenzte Lebensdauer und diese reduziert sich natürlich, abhängig von der Belastung. Wer also meint mit einer Knieprothese könne er alles tun, was er auch mit einem gesunden Knie machen würde, der wird sich bald mit einer gelockerten Prothese konfrontiert sehen.
Eine Prothese scheint sich wohl einmal erneuern zu lassen, dann hält der Knochen in der Regel keine weitere Prothese mehr fest. Jede Knie-OP ist darüberhinaus eine große Gefahr für Entzündungen und somit weitere Schädigungen.
Und warum wächst so ein Schaden nicht einfach zu?
Nun, Knorpel regeniert sich nicht, leider. Knorpel ist von sich aus miserabel mit Nährstoffen versorgt, weshalb wir unsere Gelenke auch unbedingt bewegen müssen. Der Knorpel ist dann wie ein Schwamm, der bei Bewegung und Belastung massiert wird. Wird der Knorpel zusammengepresst, wird Flüssigkeit aus ihm herausgedrückt und anschließend, bei Entlastung, strömt wieder Flüssigkeit in ihn hinein, wobei Nährstoffe aufgenommen werden.
Bei Beschädigungen jedoch, wächst der Korpel nicht nach. Leider hat der Knorpel auch keine Nerven, so dass wir überhaupt nicht mitbekommen, dass wir einen Knorpelschaden haben! Erst dann, wenn der Knorpelschaden so ausgeprägt ist, dass Seiteneffekte auftreten, bekommen wir das mit. Knacken, Reizung anderer Teile im Knie und dadurch Schmerzen, Schwellungen und Erhitzung.
Tja, ich war ziemlich down nach dieser Diagnose, denn eigentlich hatte ich gerade das Gefühl, so richtig Gas geben zu können. Ich fühlte mich als hätte ich endlose Energie und alle Möglichkeiten stünden mir offen und nun ein kaputtes Knie!
So jetzt aber! Aufgeben ist keine Option! Wir leben im 21. Jahrhundert, da muss doch was gehen!
Gut, genug gejammert, ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass einen so eine Diagnose zunächst mal wirklich umhauen kann, aber nach dem ersten Schock begann die Recherche darüber, was man nun tun konnte.
Das Problem bei Knorpelschäden auf der Rückseite der Kniescheibe ist, dass hier sehr hohe Drücke herrschen. Die Kniescheibe funktioniert wie die Umlenkrolle eines Flaschenzuges und wenn wir beispielsweise eine Stufe hochsteigen, oder aus der Hocke wieder aufstehen, muss eine enorme Kraft über diese "Rolle" umgelenkt werden. Daher steht der Knorpel hier unter sehr hoher Belastung und wenn man hier einen Knorpelschaden reparieren will, braucht man wirklich gutes "Flickzeug"!
Mittlerweile gibt es drei Methoden Knorpelschäden wie den meinen zu reparieren.
Kann man so ein Loch nicht einfach auffüllen?
Die erste und vielleicht einleuchtendste ist die Verpflanzung gesunden Knorpels von einer anderen Stelle im Körper. Hierzu werden an anderer Stelle Knorpelzylinder ausgestanzt und in die beschädigte Stelle eingesetzt.
Das Tolle ist, dass man hierbei vollwertigen Knorpel als Ersatz in den Schaden einsetzt. Der Nachteil ist, dass man an anderer Stelle im Körper einen Knorpelschaden erzeugt, der wahrscheinlich früher oder später auch Ärger macht, auch wenn man eine wenig belastete Stelle für die Entnahme aussucht. Weiterhin müssen die Knorpelzylinder penibelst so angepasst werden, dass die resultierende Fläche an der reparierten Stelle eine gleichmäßige Höhe ohne Kanten oder Stufen aufweist, sonst sind die nächsten Probleme vorprogrammiert.
Vielleicht kann man das Loch zuwachsen lassen?
Die zweite Therapiemöglichkeit ist die sogenannte Mikrofrakturierung, bei der der Knochen unterhalb des beschädigten Knorpels freigelegt und angebohrt wird. Blut und Stammzellen strömen dann in die beschädigte Stelle ein und bilden dort neuen Knorpel.
Hurra, so einfach!
Leider nein. Der hierbei entstehende Knorpel ist kein hyaliner Knorpel, so wie unser gesunder Gelenkknorpel, sondern sogenannter Faserknorpel und der ist minderwertiger.
Deshalb beschränkt sich dieses Verfahren auf Defekte geringer Größe, was aber in meinem Fall nicht das Problem gewesen wäre. Vielmehr sind die hohen Drücke das Problem!
Wir erinnern uns, Kniescheibe, Flaschenzug!
Bei meinen Recherchen fand ich eine Menge Leute, die bereits die dritte Mikrofrakturierung hinter der Kniescheibe hinter sich hatten und wieder zeichnete sich im Falle dieser Leute ab, dass diese Lösung nicht endgültig war.
Jetzt wird es interessant!
Die dritte und letzte Methode, die man schnell findet ist die ACT, die sogenannte autologe Chondrozytentransplantation. Hierbei werden in einer ersten OP arthroskopisch Knorpelzellen entnommen und dann außerhalb des Knies im Labor angezüchtet. Es gibt wohl verschiedene Verfahren, aber beim mir bekannten werden kleine Knorpelkügelchen herangezüchtet, die zudem abschließend mit einem Haftprotein auf der Oberfläche versehen werden, damit diese bei der Wiedereinsetzung ins Knie, etwa 6-8 Wochen später, gut an den Knorpelrändern und dem Knochen anhaften.
Zwei Dinge sind hier besonders.
Erstens kann man mittlerweile beide Operationen minimalinvasiv, also arthroskopisch durchführen. Der Eingriff ins Gelenk ist minimal, die Operationswunden sind minimal und auch das Infektionsrisiko ist somit minimal. Dies ist aufgrund der Haftproteine möglich. Noch vor einigen Jahren musste die zweite OP offen durchgeführt werden und die Knorpelzellen wurden als eine Art Flüssigkeit eingebracht und mussten unter eine aufgenähte Abdeckung eingebracht werden. Dank der Haftproteine ist dies heute nicht mehr nötig.
Der viel wichtigere positive Aspekt ist aber, dass bei diesem Verfahren nahezu gleichwertiger, hyaliner Knorpel entsteht! Für die Behandlung eines Knorpelschadens hinter der Kniescheibe also ideal.
Der schmale Grat zwischen Vertrauen zum Arzt und dem eigenen Wissen
An dieser Stelle sei gesagt, dass hier Ärzte unterschiedlicher Meinung sind. Der eine sieht eine ACT als übertrieben an, ein anderer würde nur diese Methode anwenden. Wichtig war in meinem Fall, was ich mit meinem Knie weiter machen möchte.
Es wird üblicherweise nach dem Beruf gefragt, der in meinem Fall dem Knie keine besondere Bedeutung zukommen lässt, denn in der IT kann man auch gut mit kaputtem Knie arbeiten. Mir war aber klar, dass ich noch sehr, sehr mobil sein will und mir die Naturfotografie und überhaupt meine Mobilität unheimlich wichtig sind!
Vielleicht will ich in ein paar Jahren aus der IT aussteigen und mich nur noch der Fotografie widmen? Vielleicht will ich noch viele Trekkingtouren unternehmen, aber zumindest kann ich mir sicher sein, dass ich für meine Leidenschaft, die Naturfotografie, immer wieder viel Laufen muss!
Wärend meiner Odyssee war ich bei einem Arzt in Behandlung, der mir Vorschlug, eine Mikrofrakturierung durchzuführen. In der folgenden Diskussion kam dann heraus, dass er natürlich auch der Ansicht sei, dass eine ACT die bessere Methode sei, aber er habe auch die Aufgabe, die wirtschaftlichen Aspekte abzuwägen.
An dieser Stelle war unser Arzt-Patientenverhältnis dann beendet.
Ich kann hier nur jedem empfehlen sich selbst zu informieren und bei solchen Erlebnissen nicht aufzugeben. Eventuell muss man auch selbst etwas Geld in die Hand nehmen und mit etwas Glück findet sich vielleicht auch mit einem Eigenanteil bei den Kosten eine Möglichkeit, zur bestmöglichen Therapie zu gelangen.
Sich selbst zu informieren und vor allem dann auch noch mit dem Arzt zu diskutieren ist eine sehr sehr schwierige Angelegenheit.
Man findet Unmengen pseudomezinischer Weisheiten bei frag mutti, wer-weiss-was.de und in zahllosen Foren. Es erfordert schon einiger Suche und Recherche z.B. im Deutschen Arthroseforum oder in Fachquellen, um zu einem realistischen Bild zu kommen. Mir kam hier sicher auch zugute, dass ich früher mal 4,5 Jahre im Rettungsdienst gearbeitet hatte und sehr gut Englisch kann, weshalb mir medizinische Fachtexte eher leicht gefallen sind.
Letztlich muss man aber natürlich trotzdem seinem Arzt vertrauen und so sollte mir mein Wissen dazu dienen, zu verstehen, was gemacht wird, Nachfragen zu stellen, die mir wichtig waren und vor allem beurteilen zu können, welche Behandlung mir gerade vorgeschlagen wird und was dies bedeutet. Man muss aufpassen seinen Arzt nicht mit zu viel eigenem Wissen zu "verärgern".
Ich finde es schade so denken zu müssen, aber es ist eben so. Ich bin Profi in meinem Beruf und ich sehe den Arzt als Profi in seinem, aber es geht um mein Knie, meine zukünftige Mobilität, meine Freiheit und ob ich mir meine Träume erfüllen kann, da wünsche ich mir ein professionelles Gespräch bei dem alle meine Fragen beantwortet und alle meine Sorgen berücksichtigt werden.
Unser Gesundheitssystem erlaubt dies aber leider nicht und auch nicht jeder Arzt hat Lust dazu, was nicht heißen muss, dass er ein schlechter Arzt ist. Fingerspitzengefühl ist also gefragt!
Der Plan
Letztlich fand ich einen Spezialisten für die ACT, der in diesem Sektor über sehr viel Erfahrung verfügt, das Verfahren durch eigene, jahrelange Forschungsarbeit stetig weiterentwickelt hat und heute die Behandlung in der modernsten Methode anwendet und für ihn gab es keine Frage, eine ACT wäre die beste Therapie für mein Problem mit einer etwa 80%igen Heilungschance.
Eine wichtige Voraussetzung war bei mir gegeben, nämlich dass der Gegenspieler der beschädigten Knorpelstelle, der gegenüberliegende Gelenkknorpel intakt ist.
Der Plan war also gefasst!
Lasst uns Knorpel züchten
Die erste OP wurde endoskopisch durchgeführt und hierbei wurden nur zwei kleine Schnitte vorgenommen, durch die hindurch zum einen das Knie "aufgeräumt" wurde, es wurden also raue Ränder geglättet, herumschwimmende Knorpelfragmente entfernt etc. Außerdem wurde mir eine kleine Menge Knorpel entnommen um neuen Knorpel für mich anzüchten zu können.
Der erste Tag und die erste Nacht nach der OP waren nicht sooo prickelnd, denn ich hatte eine Drainage im Knie damit Blut abfließen kann. Das tut nicht besonders weh nur kann man das Knie nicht anwinkeln, weil ja der Schlauch im Knie ist. Die Drainage kommt aber in der Regel am nächsten Tag raus und ab da ist das Knie beweglich und voll belastbar.
Ein kleiner Hinweis an dieser Stelle, das Ziehen der Drainage tut dann doch weh. Es sollte schnell geschehen, nicht langsam und "genussvoll". Vielleicht achtet man darauf, dass dies jemand mit Erfahrung macht.......nicht der Lehrling.
Mir wurden dann auch einige Röhrchen Blut abgenommen, welches für die Anzüchtung des Knorpels benötigt wird.
Nach zwei Nächten im Krankenhaus wurde ich entlassen. Ich bekam zwei Pflaster auf die OP-Wunden und Krücken. Die Krücken habe ich sehr bald nicht mehr gebraucht und das Knie war normal voll belastbar.
Nach der ersten OP ist also mit keiner allzu langen Ausfallzeit zu rechnen. Das Knie sollte abgeschwollen und reizfrei sein und am besten die OP Fäden gezogen, bevor man sich wieder an die Arbeit macht und auch Auto fährt.
Nun wurden meine Knorpelzellen zusammen mit dem Blut bei einer Partnerfirma angezüchtet und in 6-8 Wochen sollte es soweit sein, dass die Zellen eingesetzt werden. Etwa 1 Woche nach der OP bekam ich von meinem Arzt Bescheid, dass meine Knorpelzellen ok sind und die Anzüchtung begonnen hat. Gleichzeitig haben wir den zweiten OP Termin festgelegt. Dieser ist dann so gut wie nicht verschiebbar, da die Knorpelzellen, wenn diese bereit sind, zügig eingesetzt werden müssen, allerdings hatte ich ja genug Vorlauf um bei meiner Arbeitsstelle alles zu planen.
Jetzt wird repariert!
Die zweite OP 8 Wochen später wurde ebenfalls endoskopisch durchgeführt und es ist toll, dass dies heute möglich ist! Diesmal sind 3 kleine Schnitte nötig um die Instrumente einzuführen, auch in diesem Falle halten sich also die Narben und die resultierenden Verhärtungen sehr in Grenzen.
Nach dem Aufwachen war mein Bein eingewickelt, wobei diese Bandage recht bald entfernt wurde und zum Vorschein kam erneut ein lustiges, orangenes Bein von der Desinfektion.
Eine Drainage hatte ich diesmal nicht, was ich sehr begrüßte.
Ich musste eine Orthese tragen, über die sich die Winkel meines Knies einschränken ließen. Ich sollte schon früh eine volle Beweglichkeit in der Orthese einstellen, nachts jedoch sperrte ich mir diese noch eine ganze Zeit lang bei 15° Beugung, da ich vermeiden wollte im Schlaf unbemerkt eine blöde Bewegung zu machen.
Immer schön in Bewegung bleiben
Schon am zweiten Tag nach der OP begann das Training mit der motorischen Schiene in der Klinik. In diese Schiene legt man das Bein entspannt rein, stellt den Anfangs- und Endwinkel am Gerät ein und lässt dann die Maschine machen. Das Gerät winkelt das Bein immer wieder langsam an und bringt es dann zurück in Streckung.
Dadurch dass das Gerät die Bewegung durchführt, wird das Knie bewegt und bleibt beweglich, jedoch muss man selbst keine Muskeln dazu verwenden. Das ist auch notwendig, denn würde man diese Bewegungen selbst durchführen, so würde man einen Druck auf die Kniescheibe entwickeln und das soll eben nicht sein, damit der frisch eingebrachte Knorpel nicht beschädigt wird.
Zu Hause ging es weiter mit der Schiene, denn ich habe für 6 Wochen eine nach Hause geliefert bekommen.
Der Ablauf war im Weiteren folgendermaßen:
- Kurz nach der OP hatte ich volle Bewegungsfreigabe für das Knie, durfte es aber nicht belasten.
- Nach wenigen Tagen wurde ich entlassen und durfte von nun an das Knie mit 10kg Sohlendruck belasten. Ich sollte mit Krücken laufen und dabei normal mit dem rechten Bein laufen, ich durfte eben nur mit 10kg belasten, was sehr wenig ist. Diese Belastung sollte ich 2 Wochen durchführen.
- Anschließend musste ich zwei weitere Wochen mit 20kg belasten.
- Nach Ablauf dieser insgesamt 4 Wochen mit Krücken erfolgte der Übergang in die Vollbelastung, was nur Stehen und Gehen mit vollem Gewicht meint. Wir reden hier nicht von Wandern, Radfahren oder sonst irgendeinem Sport.
- Insgesamt 6 Wochen ab der OP verwendete ich die Motorschiene um mein Bein über den Tag verteilt bis zu 4 Stunden bewegen zu lassen. Von anfänglichen 15° - 45° steigerte ich mich auf 0° - 115°
- 3 Monate ab der OP stand auch 2 mal pro Woche Physiotherapie auf dem Programm.
Die ersten 4 Wochen waren zäh, denn mit Krücken zu laufen schränkt im Alltag sehr ein. 10kg bzw. 20kg Belastung sind auch so gut wie nichts, also kann man eben nicht viel machen. Dazu kommt, dass man bis zu 4 Stunden am Tag in der motorischen Schiene verbringt und zweimal die Woche zur Physiotherapie muss, was mit Taxi An- und Abfahrt auch seine Zeit in Anspruch nimmt. Man bekommt die Tage also schon ganz gut rum und ist mit seinem Knie beschäftigt.
Hurra!! Wieder selber Laufen!! Ups...moment...das wackelt aber...
Der Übergang zur Vollbelastung ist erst einmal etwas enttäuschend. 4 Wochen lang hatte ich das Bein ja bewegt und bin auch gelaufen, wenn auch nur mit 10kg bzw. 20kg Belastung. Trotzdem, der Körper baut die Muskulatur rapide ab, die Bänder verkürzen sich und die Feinmotorik ist auch hin.
Laufen musste ich also ein paar Tage lang erst wieder lernen und ich habe mich anfangs unsicher auf dem Bein gefühlt.
Toll ist aber, dass man nun jeden Tag eine Verbesserung merkt und man spürt, wie die Muskulatur und die Kraft zurückkommen, man sicher stehen und gehen kann und vor allem seine Mobilität zurückerlangt. Es ist toll dann endlich mal wieder wenigstens einen Salat machen zu können und nicht für jeden Gang an irgendeine Schublade alles aus den Händen legen und die Krücken nehmen muss!
Sobald man dann wieder mal zu Fuß Einkaufen gehen kann oder es bis zur nächsten Eisdiele im Ort schafft, fühlt man sich schon wieder fast wie ein ganzer Mensch.
Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste
Diese Phase ist natürlich auch gefährlich, denn man darf jetzt nicht leichtsinnig werden und das Knie zu stark belasten!
Man stellt sich am besten vor, man trägt Diamanten im Knie und muss die pfleglich behandeln. Mir fiel das sehr leicht, da ich mir in den vergangenen 2 Jahren schon eine Schonhaltung für mein Knie und eine hohe Sensibilität für die Belastung antrainiert hatte.
Autofahren ging dann aber noch nicht, denn auch wenn man schon laufen kann, ist es eine ungleich höhere Belastung für das Knie, ein leicht angewinkeltes Bein hochzuheben, wie man es eben tun muss um von der Bremse aufs Gas zu kommen, oder zurück. Hierbei entsteht Druck auf die Kniescheibe und das spürt man auch schnell.
Aua? Nö!
Schmerzen hatte ich während der gesamten Zeit im Knie keine. Ich hatte keine Reizung, Schwellung etc. Lediglich die Muskeln, Sehnen und Bänder taten und tun weh, wenn ich diese belaste, da der Körper natürlich relativ schnell Muskulatur abbaut, die man jetzt wieder aufbauen muss. Dies entspricht aber den normalen Schmerzen die man hat, wenn man sich mal angestrengt hat! Also auch kein Drama.
Und wie geht es jetzt weiter?
Ich habe jetzt etwa 8 Wochen seit meiner OP hinter mir und bin wieder gut im Alltag. Ich kann Autofahren, gehe normal arbeiten und bin im Alltag beweglich. Treppen laufe ich noch sehr vorsichtig, oder nehme wenn möglich einen Fahrstuhl. Schwere Dinge wie z.B. Getränkekästen die Treppe hoch oder runter tragen mache ich nur im Einerschritt, wobei ich also nur mein gesundes Knie belaste. Längere Strecken zu Fuß darf ich laufen, aber ich tue das nur auf Asphalt oder mal auf der Wiese. Wandern ist noch nicht drin und auch zu gefährlich. Einerseits ist die Belastung durch Steigungen und Gefälle höher, aber vor allem ist das Risiko umzuknicken oder gar zu stürzen höher.
In meinem Fall ist nach wie vor kein Gerätetetraining erlaubt, die Muskulatur baut sich also langsam auf, aber sie tut es! Die Physio gestaltet sich entsprechend anstregend und die werde ich auch noch eine Weile durchführen.
Insgesamt dauert die Prozedur nach der zweiten OP ein Jahr, dann sollte der Knorpel ausgeheilt sein. Die wirklich anstrengende Phase sind die ersten 4-5 Wochen nach der OP, danach geht der Alltag schon sehr gut. Physiotherapie muss ich insgesamt 3 Monate durchführen und ansonsten muss ich mich eben sportlich zurückhalten.
Wenn ich dafür dann ein geheiltes Knie erhalte, war es jede Anstrengung wert und so arbeite ich hier, für meine Lebensqualität der nächsten Jahrzehnte.
Und was wurde nun eigentlich genau gemacht?
Schauen wir doch mal!
Die erste Aufnahme zeigt den Knorpelschaden an meiner Kniescheibe. Hier sieht das viel größer aus als es in Wirklichkeit ist. Die zweite Aufnahme zeigt gelb die Knorpelzellkügelchen, die in meinen Knorpeldefekt eingebracht wurden. Hier soll jetzt in den nächsten Monaten neuer Knorpel entstehen.
Jetzt hast Du bis hierher gelesen!
Ich hoffe also, dieser Text war interessant für Dich, oder vielleicht hilft er Dir auch ganz konkret, da Du Dich in einer ähnlichen Situation befindest.
Mich hat das Thema eine ganze Menge Nerven gekostet, ich hatte viele Ängste und war oft unsicher, was dies alles für meine zukünftige Mobilität, meine Freiheit und mein liebstes Hobby, die Naturfotografie bedeutet. Würde ich auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch zu Fuß an tolle Orte gelangen können?
Die ganzen Mühen haben sich ausgezahlt, denn jetzt schon merke ich bei bestimmten Übungen die ich machen muss eine Verbesserung und ich bin zuversichtlich, dass ich in einem Jahr ein gesundes Knie haben werde.
Wenn Du Fragen an mich hast dann melde Dich gerne bei mir! Ich würde mich freuen, wenn dieser Artikel dem einen oder anderen hilft.
Mittlerweile gibt es auch einen Zwischenbericht etwa 6 Monate nach meiner zweiten OP.
Da ich mittlerweile immer wieder Anfragen bekomme, die sich auf diesen, ersten Bericht beziehen, möchte ich an dieser Stelle auf den Endbericht hinweisen. Bitte lest euch den durch, denn das Ergebnis der gesamten Behandlung war bei mir ernüchternd. Dennoch komme ich im Moment gut zurecht und werde jetzt wohl auch ein paar Jahre warten und mir überlegen, ob ich nochmal eine Behandlung durchführen lasse. Für Leser dieses Artikels ist es aber wichtig das gesamte Bild zu bekommen, daher bitte insbesondere den letzten Bericht nicht auslassen.
Ebenfalls an dieser Stelle möchte ich kurz darauf hinweisen, dass ich kein Arzt oder sonstiger Experte auf dem Fachgebiet der Therapie von Knorpelschäden im Knie bin. Ich gebe hier nur meinen Erfahrungsbericht, wie die ACT bei mir verlaufen ist, was ich alles beachtet habe und wie die Reha bei mir aussah.
Ich kann also bei Anfragen nur Auskunft geben, wie es in meinem Fall gelaufen ist, aber ich kann leider keine Ratschläge geben, ob und wie gegebenenfalls euer individueller Knieschaden therapierbar ist.
Jedem Leser der sich in einer ähnlichen Situation befindet wie ich, wünsche ich das Beste für sein Knie und gute Besserung! Hoffentlich erreichen wir alle wieder einen Zustand, in dem wir wie junge Hüpfer durch die Gegend springen können :-)
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LG Tom